Heutzutage, vor allem in meinem Land, Madagaskar, konzentrieren sich die meisten Menschen nur auf das Geld, das sie mit einem Job verdienen können – weniger auf die Arbeit selbst. Ich bin so vielen Menschen begegnet, die ihre Arbeit, ihre Kollegen oder ihren Chef hassen, aber nur wegen des Geldes viele Jahre in ihrem Job bleiben.

Früher dachte ich genauso und sagte mir: „Mir geht es wie Allen: ich muss Rechnungen bezahlen und meine Familie ernähren – also egal, wie schwer der Job ist oder egal, ob ich diesen mag oder nicht – ich bleibe trotzdem, solange er gut bezahlt wird“. Jetzt denke ich anders: Wenn wir uns dafür entscheiden, an einem Ort zu bleiben, an dem wir nicht geschätzt werden und etwas tun, das wir nicht einmal mögen, nur um Geld zu verdienen, verlieren wir jeden Tag einen Teil von uns selbst.

Alles änderte sich für mich, als ich bei AiNA soa anfing zu arbeiten. Gerne teile ich «meine» Geschichte und hebe die Lebenslektionen hervor, die ich durch meine Arbeit für die Organisation lernte, seit ich dabei.

Meine Geschichte

Kurz nach meinem Studienabschluss arbeitete ich als medizinischer Vertreter für ein Pharmaunternehmen. Ich war für die Werbung und den Verkauf einiger Produkte des Unternehmens an Ärzte, Gesundheitseinrichtungen und Apotheken zuständig.

Die Arbeit selbst war ziemlich einfach, ohne allzu grossen Druck und mit guter sozialer Absicherung. Aber ich fühlte ständig eine innere Leere. Ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlte, aber was genau?  Ich konnte es nicht herausfinden. Ich beschloss jedoch zu bleiben, weil das Gehalt gut war und weil ich meine Kollegen und meinen Chef nicht enttäuschen wollte, der mir die Stelle gegeben hatte, obwohl so viele Menschen Schwierigkeiten hatten, eine Stelle zu finden.

Ich dachte, meine Arbeit würde mir mit der Zeit mehr gefallen… Doch dies traf auch nach neun Monaten im Job nicht ein. Ich gab mein Bestes, aber es war wohl nichts für mich.

Als ich zum ersten Mal von Aina soa hörte, arbeitete ich noch bei dem Pharmaunternehmen. An diesem Tag war ich mit einem Kollegen in einer Apotheke, um für unsere Produkte zu werben, als ein Mann hereinkam. Mein Freund erkannte ihn sofort als einen Freund aus Studienzeiten an der Universität. Aus ihrem Gespräch erfuhr ich, dass er für eine Hilfsorganisation namens AiNA soa arbeitet, die in ganz Madagaskar Erste Hilfe schult.

Von diesem Moment an hörte ich eine Art innere Stimme, die mich ermutigte, nach dieser Organisation zu suchen. Je mehr ich entdeckte, desto mehr hatte ich das Bedürfnis, mehr über die Arbeit und Inhalte herauszufinden. Als ich schliesslich eine Anzeige sah, in der stand, dass AiNA soa einen Mitarbeiter sucht, beschloss ich mich zu bewerben oder zu riskieren, es zu bereuen. Meiner inneren Stimme zu folgen, war die richtige Entscheidung, denn heute bin ich als Erste-Hilfe-Ausbildner Teil von Aina Soa.

Tu alles mit Liebe

An meinem ersten Tag und in den ersten Monaten bei AiNA soa forderte es mich heraus, mich zurecht und meinen Platz zu finden. Alles war neu für mich: das Büro, die Mitarbeiter, die Aufgaben und die Gepflogenheiten. Zudem scheute ich mich, um Hilfe zu bitten. Es gab sogar eine Zeit, in der ich an mir selbst zweifelte, ob ich der Aufgabe gewachsen bin oder nicht. Aber wenn ich mir meine Kollegen ansah, wenn ich sah wie viel Mühe und Liebe jeder in seine täglichen Aufgaben steckte, inspirierte und ermutigte mich das auch mein Bestes zu geben. Ich erlebte, mit welcher Leidenschaft Ny Ony unterrichtete und sein Wissen weitergab. Ich staunte, wie Tsito immer wieder voll neuer Ideen war, um nicht nur seine eigene Arbeit zu verbessern, sondern auch die von allen, die in seiner Nähe sind. Auch sah ich Rado, stets bereit anderen mit einem breiten Lächeln zu helfen, auch wenn er selbst noch viel zu tun hatte. Nicht nur sie, sondern alle Mitarbeitenden von AiNA soa haben mich durch ihr Beispiel gelehrt, dass es den Unterschied zwischen hart arbeiten und kaum arbeiten ausmacht, alles mit Liebe zu tun.

Jeder Job ist eine Chance zu lernen und zu wachsen

Seit meiner Kindheit war ich stets ein schüchterner Mensch, nicht besonders gut in allem, was beinhaltete mit anderen Menschen zu reden. Ich blieb meist in meiner Ecke. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages andere Menschen unterrichten würde, hätte ich ihm nicht geglaubt und es für einen schlechten Scherz gehalten.

«Als ich das erste Mal einen Erste-Hilfe-Kurs bei AiNA soa leitete, merkte ich, dass sich etwas in mir verändert hatte.»

Ich kann jetzt sagen, dass ich dankbar für meinen vorherigen Job sein kann, auch wenn er mir nicht gefiel. Er brachte mir viel mehr, als ich dachte. Er hat mir geholfen, selbstbewusster zu werden, mich anderen Menschen gegenüber mehr zu öffnen und immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben, wenn ich mit Menschen spreche. Wie ich bereits sagte, war ich vor AiNA soa neun Monate lang Verkäufer im medizinischen Bereich. Ob ich es nun mochte oder nicht, das Gespräch mit Menschen war mit Hauptteil meiner Arbeit. Diese Erfahrung hilft mir auch heute noch sehr dabei, mehr Menschen zu erreichen und eine Bindung zu meinen Teilnehmern aufzubauen, wenn ich eine Schulung leite.

Bei AiNA soa habe ich viel gelernt und habe das Gefühl, dass ich immer noch wachse. Wenn ich nur etwas zu sagen hätte, dann wäre das: „Was immer du tust, sei authentisch, bleib dir selbst treu – das ist ansteckend“.

Anderen helfen, ihren Weg zu finden

Der Höhepunkt der beruflichen Entwicklung, der Moment, in dem man die meiste Erfüllung und Freude empfindet, ist aus meiner Sicht der, wenn man anderen helfen kann, ihren eigenen Weg zu finden. Auch ich möchte anderen helfen, mit mir zu wachsen, damit auch sie anderen helfen können, wenn die Zeit gekommen ist. Es ist grossartig, etwas zu tun, das man beruflich liebt, aber noch besser ist es, wenn man dabei auch andere inspirieren und ihnen helfen kann.

Ich wollte meinen Landsleuten schon immer helfen, aber es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Wunsch, etwas zu tun, und dem tatsächlichen Tun. Bei AiNA soa kann ich wirklich aktiv werden und den Menschen helfen, indem ich Erste-Hilfe-Kurse unterrichte. Die Armut in unserem Land ist gross und es mangelt an vielen Dingen, angefangen bei einer guten Krankenversicherung für alle. Manche Regionen sind so arm, dass sie sich nicht einmal ein Gesundheitszentrum leisten können. Zudem ist der nächste Arzt oft sehr weit entfernt. Das ist mit Hauptgrund, weshalb AiNA soa den Menschen vor Ort kostenlose Erste-Hilfe-Kurse anbietet, um sie zu befähigen, etwas zu verändern.

Gebet als Ressource

Als Team von AiNA soa in Madagaskar beten wir oft gemeinsam: morgens bevor wir den Tag beginnen, wenn wir mit etwas nicht weiterkommen oder jemand ein bestimmtes persönliches oder berufliches Anliegen hat.

Dies kannte ich aus keinem vorherigen Job – ich erlebe es als Entlastung, Erleichterung und Bereicherung zugleich.

Ich bin dankbar für die Zeit bei AiNA soa und alles, was ich in und durch meine Arbeit hier bis jetzt erleben und lernen durfte!

Solche und ähnliche Erlebnisse wünsche ich auch Ihnen!

Avotra, Arzt & Erste-Hilfe-Instruktor