Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit den «UN-Kliniken» schulten wir deren Mitarbeiter an vier Standorten im Süden Madagaskars: Ampanihy, Ambovombe, Fort-Dauphin und Betroka.
Durchquerung des Südens von Madagaskar
Während der Reise fuhren wir von Antananarivo aus drei verschiedene Nationalstrassen. Die Erfahrung war anstrengend und überraschend zugleich, aber sehr reich an Entdeckungen.
RN7: Antananarivo – Toliary
An den ersten beiden Tagen fuhren wir auf der RN7 nach Toliary und passierten dabei Fianarantsoa. Obwohl einige Abschnitte derzeit ausgebaut werden, war die Strasse an mehreren Stellen schwierig zu befahren.
In Ambatolampy (zwischen Antsirabe und Antananarivo) hat die Regierung einen Vertrag mit einer Strassenbau-Firma abgeschlossen. Tagsüber, wenn die Maschinen arbeiten, wird der Verkehr einspurig geregelt. Autos aus der Gegenrichtung müssen manchmal lange warten, bevor sie weiterfahren können. Interessanterweise nutzen die Anwohner diese Gelegenheit, um den stehenden Autos Essen zu verkaufen. Die Strasse verwandelt sich dabei in einen grossen, lebhaften Markt – fast wie ein spontanes Fest. Für die Einheimischen ist das eine neue Möglichkeit, ein wenig Geld zu verdienen.
RN10 und RN13: Toliary – Süden
Nach Toliary fuhren wir auf der RN10 und RN13 – und dort… war es eine Katastrophe. Es gibt keinen Asphalt, man fährt entweder auf Sand oder auf Steinen. Eine klare Strasse gibt es nicht, nur viele Spuren, die sich je nach Zustand des Geländes ändern. Man muss die Spur wählen, die am wenigsten schlecht aussieht, aber alle führen zum gleichen Ziel.
Ein Detail, das mich besonders beeindruckte, waren die vielen bewaffneten Menschen entlang der Strasse. Es waren nicht Soldaten, sondern Hirten oder Zebu-Hirten, bewaffnet mit Gewehren.
Im Süden sind die Dahalo (Zebu-Diebe) nach wie vor sehr präsent. Sie können nicht nur Herden stehlen, sondern auch Autos angreifen, die durch abgelegene Gebiete wie Kaktuswälder fahren. Deshalb ist es sehr riskant, nach 18:00 Uhr zu fahren. Jeder vermeidet das Fahren in der Nacht, ausser Bush-Taxis, die oft mit einem Gewehr direkt neben dem Fahrer bewaffnet sind. Diese Reise zeigte mir wie schön Madagaskar ist, aber auch wie herausfordernd – besonders, wenn es um die Strassen geht. Jede Fahrt kann zu einem Abenteuer werden. Man muss geduldig und vorsichtig sein, aber auch offen für all das, was man unterwegs entdeckt.

Kultur, Glauben und Realität: eine andere Seite Madagaskars
Auf unserer Reise durchquerten wir Regionen, die von drei grossen Ethnien bewohnt werden: den Tanosy, den Antandroy und den Mahafaly. Es sind Völker mit vielen Traditionen, die in den grossen Städten nur selten zu sehen sind.
Mitten auf der RN13 stiessen wir auf eine Beerdigungszeremonie. Der Leichnam des Verstorbenen wurde zu Fuss getragen, begleitet von traditionellen Tänzen auf der Strasse. Da es keinen Umweg gab, mussten wir anhalten. Besonders überraschend war, dass von uns Geld verlangt wurde, damit die Zeremonie fortgesetzt werden konnte – die Strasse wurde solange blockiert, bis wir etwas gaben. Dies zeigt eine besondere Form von Abhängigkeit und Unsicherheit, in der selbst der Tod von der Solidarität der Vorbeikommenden abhängig ist.
Mit der Beerdigung endet es für die Mahafaly- und Antandroy-Völkern jedoch nicht. Sie sind auch hervorragende Bildhauer. Ehrlich gesagt habe ich nirgendwo sonst in Madagaskar so beeindruckende Gräber gesehen. Manche sind über 300 Quadratmeter gross und mit geschnitztem Holz, Zebuschädeln oder Zeichnungen verziert, die zeigen, was die verstorbene Person im Leben liebte. Es ist also nicht nur ein Grab, sondern ein Kunstwerk und ein Tribut an ein ganzes Leben. Mir wurde erzählt, dass je mehr Schädel zu sehen sind, desto mehr zeigt dies, dass die Familie wohlhabend, respektiert und grosszügig ist. Solche Gräber sind eine echte Quelle des Stolzes für die lokale Bevölkerung.

Doch hinter diesem kulturellen Reichtum verbirgt sich eine sehr harte Realität: Wasserknappheit. Diese Region ist trocken, karg und voller Dornen – daher stammt auch der Name Antandroy, was „das Volk der Dornen“ bedeutet. Eine Szene blieb mir besonders im Gedächtnis: Wir stiessen auf ein liegengebliebenes Bush-Taxi in einem trockenen Flussbett, das wir überqueren mussten. Es war kaum noch Wasser vorhanden. Während wir warteten, stiegen die Fahrgäste aus. Einige wuschen sich das Gesicht, andere putzten sich die Zähne, wieder andere erleichterten sich einfach dort und einige wuschen sogar ihre intimsten Körperstellen. Alles im selben kleinen Wasserpfützenrest. Ehrlich gesagt war ich gleichzeitig berührt und schockiert.

Selbst in Städten wie Ambovombe ist das Wasser nicht sauber; es schmeckt fade und enthält viel Kalk. Ich erfuhr dies auf die harte Tour: nach dem Trinken bekam ich starke Durchfälle.
Der Süden Madagaskars ist reich an Tradition und Geschichte, wird aber in Bezug auf die Grundbedürfnisse vernachlässigt. Wasserknappheit und unpassierbare Strassen sind Alltag, doch die Menschen bewahren ihre Würde und halten ihre Kultur lebendig.
… zu einem paradiesischen Ort
Trotz des schrecklichen Zustands der Strassen im Süden Madagaskars führte mich dieses Abenteuer an ein wahres Paradies: Fort-Dauphin.
Nach einem Zwischenstopp in Ambovombe machten wir uns auf den Weg nach Fort-Dauphin. An diesem Wochenende konnte ich einige atemberaubende Landschaften sehen: traumhafte Strände, unberührte Natur und vor allem eine friedliche Atmosphäre, die einen völligen Kontrast zum hektischen Reisen bot. Es war mein erstes Mal in dieser Gegend und ich war von allem begeistert. So grosse Austern wie dort, hatte ich zuvor noch nie gesehen!
Am Sonntag gingen wir an den Strand – die Einheimischen bereiteten eine Mahlzeit für uns zu: ein Festmahl aus gegrillten Schalentieren, frisch zubereitet, mit berührender Einfachheit und Grosszügigkeit. Es war auch das erste Mal, dass ich Hummer probierte. Ich wusste nicht einmal, wie er heisst, was das Team zum Lachen brachte – dieser Moment des Teilens ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.

Am Ende wird diese Mission, auch wenn sie körperlich sehr anstrengend war – wegen der langen Reise und des Zustands der Strassen – für mich eine der unvergesslichsten Erfahrungen meines Lebens bleiben: ein menschliches Abenteuer, voller Entdeckungen und unvergesslicher Erinnerungen.
Ny Ony, Arzt und Erste-Hilfe-Instruktor bei AiNA soa