Wo Caesar Territorien eroberte, öffnen wir Köpfe. Unser Kampf wird nicht mit Schwertern oder Grenzen geführt, sondern mit Gesten und Menschlichkeit. Unser Sieg besteht darin, wenn die Teilnehmenden selbstbewusste, klardenkende und effektive Ersthelferinnen und Ersthelfer werden. Aber auch darin, ihre Erwartungen aufzugreifen, denn es sind diese Erwartungen, die unserer Mission ihren wahren Sinn verleihen.

In diesem Beitrag möchte ich einige Geschichten unserer Teilnehmenden teilen. Sie mögen nicht spektakulär sein, aber sie sind echt und für uns ist jede einzelne ein Sieg.

Es gibt Teilnehmende, die kommen, um zu lernen… und entdecken, was sie noch nicht wussten

Viele kommen mit einem einfachen Ziel: „Ich möchte Erste Hilfe lernen“. Doch echtes Lernen beginnt erst, wenn man zugibt und akzeptiert, dass man noch nicht alles weiss.

Ich denke an Rado, einen jungen Vater. Am zweiten Tag seines Trainings kam er tief bewegt zurück. Am Abend zuvor hatte er seiner Frau erzählt, was er gelernt hatte. Während des Abendessens verschluckte sich ihr kleiner Sohn an einem Stück Fleisch. Rado erstarrte vor Angst und konnte sich nicht bewegen… Doch seine Frau, der er gerade erst die lebensrettenden Schritte erklärt hatte, reagierte und rettete ihr Kind. Am nächsten Morgen sagte er zu uns: „Ich hatte den Schrecken meines Lebens, aber jetzt weiss ich, wie ich reagieren muss.“

Diese Geschichte erinnert uns daran, dass Erste Hilfe nicht im Schulungsraum endet. Sie geht zu Hause weiter, am Esstisch, im Alltag.

Diejenigen, die kommen, um zu verstehen und zu heilen

Andere kommen, weil sie Hilflosigkeit oder Schmerz erlebt haben und das nie wieder fühlen wollen. Ich erinnere mich an Mamy, einen grossartigen Kerl und Mitarbeiter einer internationalen Organisation. Er zeigte uns seinen Arm, noch immer verformt von einem schlecht behandelten Bruch. Er sagte: „Hätte ich nur gewusst, dass ein einfacher Stock und ein Stück Stoff mir das hätten ersparen können…“. Er folgte der Schulung mit einer seltenen Konzentration. Man spürte, dass er etwas wiedergutmachen wollte, auf seine eigene Weise.

Und dann ist da Johanna, eine junge Frau, die einmal eine hypoglykämische Episode erlebt hat. Eines Morgens, während eines Laufs, wurde plötzlich alles schwarz. Sie verlor für einige Augenblicke ihr Sehvermögen. Ein einziges Stück Zucker rettete sie. Doch was sie zu uns führte, war der Wunsch zu verstehen, was mit ihr passiert war und wie sie jemand anderem in derselben Situation helfen könnte.

Auch diese Situation gehört zur Ersten Hilfe: verstehen, um besser vorbeugen zu können.

Diejenigen, die einfach helfen wollen

Manche kommen aus reinem Altruismus. Sie suchen weder Zertifikat noch Anerkennung. Sie möchten einfach nützlich sein. Da war Linga, ein junger Mann aus Vangaindrano im Südosten Madagaskars, der in seinem Dorf erfolgreich eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchgeführt hat. Dank des Programms von AiNA soa ist er heute einer der neu ausgebildeten Ersthelfer-Ausbilder in der Region.

Und dann war da noch ein weiterer Teilnehmer, der 60 Kilometer aus Mananjary, ebenfalls im Südosten Madagaskars, zurücklegte, nur um an unserer Schulung teilzunehmen. Schon am nächsten Tag, auf dem Heimweg, half er einer verletzten Person auf der Strasse. Später schickte er uns stolz eine Nachricht: Die Schulung hatte bereits ein Leben gerettet.

Geschichten wie diese sind die grösste Form des Dankes, die wir je erhalten könnten.

Diejenigen, die den harten Realitäten im Feld begegnen

Einige unserer Kursteilnehmenden leben in Kontexten, in denen Helfen auch gefährlich sein kann. Einer von ihnen, aus der Region Androy, erzählte uns einmal, wie er nur knapp dem Tod entkommen ist. Er hatte versucht, einen Dorfbewohner wiederzubeleben, der zusammengebrochen war. Trotz seiner Bemühungen überlebte die Person nicht. Als er der Familie die Nachricht überbrachte, versuchte ein Verwandter, überwältigt von Trauer, ihn mit einer Machete anzugreifen. Während der Schulung stellte er uns eine einfache, aber kraftvolle Frage: „Wie kann ich mit Familien sprechen, um solche Situationen zu vermeiden?“

Geschichten wie seine erinnern uns daran, dass Erste Hilfe nicht nur aus Techniken besteht, sondern auch Mut, Empathie und Kommunikation erfordert. Für uns Ausbilder sind sie ein Aufruf uns anzupassen, zuzuhören, zu kontextualisieren und jede lernende Person nicht nur auf Notfälle, sondern auch auf die menschlichen Realitäten vorzubereiten, die damit einhergehen.

Diejenigen, die Erste Hilfe für ihre Arbeit brauchen

Für andere Menschen ist Erste Hilfe nicht nur eine Fähigkeit, sie ist eine Notwendigkeit, eine Bedingung zum Überleben.

In der ländlichen Gemeinde Matanga, etwa 50 Kilometer von Vangaindrano entfernt, unterrichteten wir das Team der Forstbeamten. Sie lebten tief im Wald und arbeiteten an einem Aufforstungsprojekt, pflanzten Bäume, schützten Setzlinge und überwachten die Tierwelt. Einmal pro Woche unternahmen sie die lange Reise ins Dorf, um die jungen Bäume zur Wiederbepflanzung anderswohin zu bringen. Für sie ging es bei der Ersten Hilfe nicht um Vorschriften oder Zertifikate. Es ging darum bereit zu sein, wenn Hilfe Tage entfernt sein könnte. Jede Frage, die sie während der Schulung stellten, war entscheidend, zudem einfach, direkt und lebenswichtig. Ihre Neugier und ihr Verantwortungsbewusstsein waren zutiefst berührend.

Und dann gab es die jungen Au-pairs, die sich auf ihre Abreise nach Deutschland oder Frankreich vorbereiteten. Sie wollten lernen, wie man bei Kindern Erste Hilfe leistet, wie man bei Verschlucken, Verbrennungen oder Bewusstlosigkeit reagiert. In ihren Augen konnte man eine Mischung aus Fürsorge und Vorfreude erkennen, als würden sie sich bereits vorstellen ein kleines, verletzliches Leben zu schützen, das ihnen anvertraut wurde. Ihre Reife, Zärtlichkeit und ihr Pflichtbewusstsein inspirieren uns immer wieder.

Abschliessend

Jede Geschichte ist einzigartig. Jede Geschichte ist ein Sieg.

In diesem Jahr hat AiNA soa mehr als tausend Menschen in ganz Madagaskar ausgebildet. Hinter jeder Zahl steckt ein Gesicht, eine Stimme, eine Emotion, manchmal Lachen, manchmal Tränen und oft ein gerettetes Leben.

Was wir weitergeben ist mehr als Wissen. Es ist Selbstvertrauen, Mut und ein tiefes Menschsein. Jedes Mal, wenn mir eine Teilnehmerin sagt: „Ich sehe die Dinge nicht mehr auf dieselbe Weise“, weiss ich, dass die Botschaft ihr Ziel erreicht hat.

Wenn wir dieses Jahr abschliessen, messen wir unseren Erfolg nicht in Zahlen, sondern an erwachten Gewissen, an den Wellen der Veränderung, die von einer Person zur nächsten, von einem Zuhause zum anderen ziehen.

Unsere Siege werden nicht danach bemessen, wie viele wir ausbilden, sondern wie viele Leben berührt werden — direkt oder indirekt — durch diejenigen, die wir befähigt haben.

Wenn wir also auf ein neues Jahr blicken, tragen wir dieselbe Mission, dasselbe Feuer und dieselbe Überzeugung in uns: Dass jede gelehrte Geste, jedes veränderte Leben und jeder erwachte Geist ein Triumph ist.

Das ist es was wir unter Empowering for Change verstehen.

Tsito, Arzt und Erste-Hilfe-Ausbildner bei AiNA soa