Hallo zusammen! Heute möchte ich eines meiner grössten Abenteuer, das ich während meiner Zeit bei AiNA soa erlebte, mit Ihnen teilen. Ich werde mich für immer an dieses Erlebnis erinnern.
Es geschah im September 2017, als ich mit dem Ärzteteam für ein Erste Hilfe Training in Anosibe An’Ala – in der Alaotra Mangoro Region, 192 km von der Hauptstadt entfernt – eingeteilt wurde. Bevor wir nach Anosibe An’Ala gelangten, übernachteten wir im Bezirk «Moramanga». Das Hotel war gut und das Essen auch, aber keiner von uns konnte sich vorstellen, was uns am nächsten Tag erwarten würde… Sicherheitsgurt an 😉
Um 7 Uhr morgens packten wir unsere Sachen und gingen zur Taxibrousse-Station, wo wir in einem Sammeltaxi – einem alten Mercedes-Van 508 – in Richtung unseres Ziels Anosibe An’Ala unterwegs waren. Die Entfernung von Moramanga nach Anosibe An’Ala beträgt etwa 70 km, aber die Fahrt mit dem Auto dauert planmässig rund 6 Stunden. Sie können sich also vorstellen, wie die Strassenverhältnisse sind… Aufgrund der schlammigen und rutschigen Strasse standen wir immer wieder vor Herausforderungen. So mussten wir teilweise auch aussteigen und den Van schieben. Wir legten etwa 30 km zurück, bevor der Van eine Panne hatte! Der Fahrer und sein Assistent versuchten ihr Bestes, um ihn zu reparieren, aber die Anstrengungen waren vergeblich. Am Ende suchten sie nach einer anderen Lösung und riefen die Taxibrousse-Station an, um uns ein anderes Transportmittel zur Verfügung zu stellen. Nach langem Warten beschlossen wir vier, einen Berg zu besteigen, wo wir Empfang zum Telefonieren hatten und dem Team in Tana Bescheid geben konnten. Als es eindunkelte gingen wir zu dem Ort zurück, an dem sich der kaputte Van mit allen Passagieren befand. Gemeinsam warteten wir auf den «neuen» Van. Dieser erreichte uns um 21 Uhr, doch zu unserer Überraschung war dieser Truck bereits voll mit Leuten, und wir fragten uns, wie wir alle hineinpassen könnten… Einer nach dem anderen stieg auf die Ladefläche (Bild unten). Es gab kaum Platz für die Füsse. Die Nacht war lang, da wir während der Fahrt alle wach waren und uns fest hielten. Wir fühlten uns wie zusammengepferchte Federn in einem Kissen.
Sieben Stunden später um 4 Uhr morgens kamen wir schließlich in Anosibe An’Ala an. Fix und fertig aber unversehrt gingen wir mit Schlamm und Staub bedeckt (Bild unten) ins Hotel, wo wir uns für ein paar Stunden erholen konnten. Bald darauf mussten wir noch weitere 41 km mit dem Motorrad zurücklegen, um in das Dorf zu gelangen, in dem wir das Training geplant hatten. So waren wir nochmals zwei Stunden unterwegs. Am Abend ging alles seinen gewohnten Gang und wir konnten uns von den Strapazen der vorherigen Nacht erholen.
Die eigentliche Herausforderung ereilte uns jedoch erst am nächsten Tag. Wir brachen früh am Morgen auf, um zum Treffpunkt zu gelangen, von wo aus uns der verantwortliche Arzt zu seinem Arbeitsplatz begleitete. Denn dort sollten wir die Schulung durchführen. Sein CSB (Basisgesundheitszentrum) war etwa 50km entfernt, an einem Ort, wo selbst Motorräder nicht durchfahren können. Keine Wahl, wir nahmen den Weg zu dem kleinen Dorf „Ambodimanga“ unter unsere Füsse. Um viel Last zu vermeiden, hatten wir nur das Wichtigste mitgenommen: eine Flasche Wasser und eine kleine Packung Kekse. Wir sahen schöne Landschaften, trafen warmherzige Menschen und überquerten viele Flüsse.
Doch der Weg war lang und uns wurde langsam heiss. Ich war sehr müde und zusätzlich wurde das Wasser und die Kekse langsam knapp. Wir liefen 5 Stunden ununterbrochen und unser Hunger hielt an. Eigentlich war alles schon vom Arzt berechnet und es sollte keine Zeit verloren gehen, damit uns die Nacht nicht unterwegs erwischt! Mittags sollten wir bei einem kleinen Restaurant auf einem Berg sein, um zu Mittag zu essen. Der einzige Ort wo es Essen gibt auf dieser Strecke. Um das Restaurant zu erreichen, mussten wir zuerst einen steilen Hang hinauf gehen. Ehrlich gesagt, dachte ich, ich schaffe es nie, meine Füße konnten mich kaum tragen; ich bat um eine kurze Pause, aber auch diese reichte kaum, um genug Kräfte zu tanken.
Als wir endlich zuoberst angekommen waren, hatte es einen Mann, der günstige Bananen verkaufte, es hatte noch etwa 10 Stück. Ich kaufte sie alle. Es war wie das wunderbarste und köstlichste Essen, dass ich je gegessen hatte. Nun lagen nur noch wenige Meter vor dem Restaurant. Als wir eintraten und uns setzten fragten wir nach dem Menü… Der Kellner sagte uns, dass sie Reis haben. Ich hackte nach und wollte wissen was es dazu gäbe. Woraufhin er äusserte, dass Reis alles sei und es nichts dazu gäbe. Aber vielleicht könne er noch etwas Fisch auftreiben. Wir äusserten, dass das super wäre und warteten. Als das Essen serviert wurde, hatte es zu unserer Überraschung neben Reis auch ein wenig getrockneter Fisch, der in kochendem Wasser mit wenig Salz und Tomaten gekocht wurde. Es schmeckte nicht, aber wir haben es trotzdem gegessen und waren dankbar.
Nach dieser kleinen Pause haben wir unsere Kraft zurückgewonnen und kehrten auf den Pfad zurück… Es war der längste Fussmarsch, den ich je in meinem Leben gemacht habe. Ich war so kurz vor dem Aufgeben! Ich kann mir die Menschen nur schwer vorstellen, die diesen Weg täglich hin und her gehen, auf der Suche nach Nahrung und dem Nötigsten für ihr Zuhause. Es stimmte mich traurig zu sehen, wie Kinder mit ihrer Familie unseren Weg kreuzten und Sachen auf dem Kopf trugen für 50 Kilometer. Sie sind daran gewöhnt und beklagen sich nicht, aber mein Herz weigert sich, diese Tatsache anzuerkennen.
Unterwegs fragte ich den Arzt immer wieder, ob wir schon fast da sind, und er antwortete immer: „Ja, wir sind fast da“. Dies sagte er auch in Momenten, wo wir noch 3 Stunden Fussmarsch vor uns hatten. Um 16 Uhr erreichten wir ein kleines Geschäft, um eine Pause zu machen. Die Ärzte konnten Kaffee und Brot genießen. Ich schlief jedoch im selben Moment, wie ich mich setzte ein und hörte meine Freunde nur noch im Traum, wie sie mich fragten, ob ich Kaffee und Brot möchte.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir kamen um 18 Uhr im Dorf an. Meine Füsse füllten sich an, als ob sie sich auflösen und auseinanderbrechen würde und mein Kopf war kurz vor dem Explodieren, aber Gott sei Dank haben wir es geschafft! Habe ich es geschafft. Wir konnten eine Dusche, gutes Essen und einen langen, erholsamen Schlaf genießen. Für zwei Tage gaben wir in diesem Dorf Erste Hilfe Trainings. Danach fühlte sich der Rückweg gar nicht mehr so an wie der Hinweg. Ich gewöhnte mich schnell an das Laufen und wir konnten mit dem Arzt und den Dorfbewohnern schritthalten, die mit uns unterwegs waren. Nach der Rückkehr in die Stadt neigen wir nun dazu, nicht den Bus zu nehmen, sondern zu Fuss zu gehen …
Danke, dass Sie diese kleine Geschichte, die ich erlebte, gelesen habe. Sie veränderte, wie ich Dinge sehe, daher wollte ich es hier mit Ihnen teilen. Rückblickend kann ich über das geschehene Lachen aber während diesen Tagen konnte ich nicht mal meine Zähne zeigen. 😉
Herzlichst
Jimmy